E171
Titandioxid wird in vielen Anwendungen der Kosmetik und Pharmazie eingesetzt. Als Filterpigment findet es im Sonnenschutz Verwendung, als Farbpigment CI 77891 in der dekorativen Kosmetik und in Zahncremes, als Farb- und Überzugsmittel wird es für Arzneimittel genutzt, und bis vor kurzem wurde es als E171 in Lebensmitteln verwendet.
Auch in Wandfarben oder Lacken kann TiO2 enthalten sein und als feine Partikel beim Sprühen oder Abschleifen eingeatmet werden, wenn man keine Atemschutzmaske trägt.
E171 – verboten
Unter der Bezeichnung E171 konnte TiO2 als Farbstoff und Überzugsmittel beispielsweise in Süßigkeiten, Mozarella, Fertiggerichten, Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt werden und dabei bis zu 50 Prozent in Nanogröße vorliegen. Seine Verwendung in Lebensmitteln und Nahrungsergänzungen ist mittlerweile verboten, weil E171 bei oraler Aufnahme möglicherweise karzinogen wirkt.
Mittlerweile ist nachgewiesen, dass Titandioxid-Nanopartikeln die Zellmembrane durchdringen und sich in Zellen ansammeln können. Im Darm kann es dadurch zu Entzündungen und Krebs kommen.
Bereits 2020 hatte die EU-Kommission Titandioxid als Gefahrenstoff mit dem Zusatz „vermutlich krebserzeugend“ eingestuft.
2022 trat das Verbot, den Lebensmittelzusatzstoff E171 zu verwenden, in Kraft.
Demnach mussten die Rezepturen bis zum 7. August 2022 umgestellt sein. Die Umstellung bei Lebensmitteln bzw. Nahrungsergänzungen fällt leicht, da lediglich das nur optisch wirksame Weißpigment bzw. Trägerpigment für andere Farbpigmente E171 weggelassen wird.
Das Verbot und die Unterschiede
Anders ist es bei Arzneimitteln. Zwar wird Titandioxid auch hier hauptsächlich wegen der weißen Farbe und der Deckkraft genutzt, allerdings würde das einfache Weglassen von TiO2 eine aufwändige Umformulierung und Neuzulassung erfordern, wodurch Engpässe auf dem EU-Markt entstehen könnten.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) rechtfertigt das unterschiedliche Vorgehen für Lebensmittel und Arzneimittel, da der pharmazeutische Hilfsstoff oftmals für die Wirkung, die Sicherheit und die Qualität von Bedeutung sei.
Auch der Gastroenterologie-Professor Gerhard Rogler, der die möglicherweise karzinogene Wirkung von Titandioxid im Darm nachgewiesen hat, ist der Meinung, dass bis zu 50 Prozent aller Arzneimittel bei einem schnellen Verbot von TiO2 ihre Zulassung verlieren könnten. Allerdings räumt er ein, dass das Risiko der Substanz in der pharmakologischen Anwendung eher gering sei, da diese weniger als drei Prozent Nanopartikel enthalte.
Alternative Substanzen mit vergleichbaren Eigenschaften könnten Calciumcarbonat, Talkum oder Stärke sein, die aber nicht so stabil und so gut zu verarbeiten sind wie Titandioxid.
2024 will die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) eine Neubewertung vornehmen.
Titandioxid als Sonnenschutzfilter
Da die Gefahr des Einatmens, die von einem Sprühnebel ausgeht, hoch ist, ist TiO2 in Nanogröße in Sonnenschutzsprays und anderen kosmetischen Sprays seit längerem verboten.
Die Anwendung von TiO2 auf der Haut gilt bisher als sicher, und die Substanz darf bis zu 25 Prozent in einer fertigen Kosmetikrezeptur enthalten sein.
Als Filterpigment wird TiO2 vor allem von der Naturkosmetik genutzt.
Um die Verteilbarkeit zu verbessern und den Weißschimmer zu reduzieren, wird es, wie auch Zinkoxid, teils in Nanopartikeln verwendet.
Auf Kosmetikprodukten müssen Nanopartikeln gekennzeichnet sein, mit dem Zusatz „nano“ in Klammern.
Cosmos standard, Version 4.0. vom 1.1.2023, erklärt:
5.1.1 Nanomaterialen
Partikel mit Coating (z.B.: TiO2 mit Coating) sind zulässig, wenn die Mindestpartikelgröße ohne Coating > 100 nm beträgt.
TiO2 und ZnO in der Verwendung als UV-Filter werden akzeptiert, wenn die folgenden Bedingungen eingehalten werden:
- der Rohstoff muss den publizierten Stellungsnahmen des Scientific Committee on Consumer Safety (SCCS) erfüllen, insbesondere Titandioxid (Nanoform) und Zinkoxid (Nanoform)
- in jedem Fall, dürfen TiO2 und ZnO als UV-Filter nicht in Sprühprodukten, wie Aerosolen, Pumpzerstäuber (ausgenommen solche ohne Sprühdüse) verwendet werden, wie in der SCCS-Stellungnahme empfohlen.
Die Gefahr der oralen Aufnahme aus Lippenstiften und Zahnpasta
In dekorativer Kosmetik und Zahnpasta ist das Farbpigment unter der Color Index-Nummer CI 77891 bzw. Titan Dioxide weiter erlaubt.
Hinsichtlich der möglichen oralen Aufnahme von CI 77891 wird diese Regelung insbesondere für Lippenstifte, Lipgloss oder Sonnenschutzprodukte für die Lippen kritisch gesehen.
Aufgrund einer Studie der International Agency for Research and Cancer ist Titandioxid als potenziell krebserregend bei oraler Aufnahme eingestuft worden.
Das EU-Gremium für Verbrauchersicherheit SCCS hat errechnet, dass Verbraucherinnen, die Lippenstift verwenden, täglich bis zu 57 Milligramm CI 7891 verschlucken.
Zu CI 77891 in Zahnpasta erklärte Prof. Dr. Stefan Zimmer, Lehrstuhlinhaber für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin an der Fakultät für Gesundheit (Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde), Uni Witten, in ZWP online:
„Für Titandioxid werden dosisabhängige unerwünschte Wirkungen berichtet, das heißt, es kommt auf die Menge an, die vom Körper aufgenommen wird. Im Gegensatz zu Lebensmitteln nehmen wir aus Zahnpasten sehr wenig auf, etwa 0,02 mg pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Der für kosmetische Mittel vorgeschriebene Sicherheitsabstand zur maximal unschädlichen Dosis muss mind. 100 betragen, damit ein Stoff als sicher gilt. Für Titandioxid aus Zahnpasten liegt er bei 5.000. Deshalb bewerten wir Titandioxid in Zahnpasten nach wie vor als sicher. Wer trotzdem darauf verzichten will, kann unter vielen guten und sehr guten Zahnpasten ohne Titandioxid wählen.“
Klärungsbedarf
Das SCCR soll CI 77891 angesichts dieser Problematik neu bewerten und klären, ob TiO2 bzw. CI 77891 für die Anwendung auf der Haut und der Möglichkeit der oralen Aufnahme aus Lippenstiften und Zahnpasta weiterhin als unbedenklich angesehen werden kann und ob Grenzwerte festgelegt werden müssen.
Eine vorläufige Stellungnahme wird im Juni 2023 erwartet, eine endgültige Bewertung 2024.
Naturkosmetik-Zertifizierer Natrue wartet die Neubewertung ab und belässt Titandioxid bzw. CI 77891 bis dahin in der Liste der erlaubten Substanzen.
COSMOS Standard begrenzt den Einsatz von Titandioxid auf dekorative Kosmetik (ohne Nanopartikel) / CI 77891 und Sonnenschutzmittel (in Ausnahmen mit Nano).
Während letzte Lebensmittel- und Nahrungsergänzungsprodukte mit E171 bald abverkauft sein werden, müssen Verbraucher*innen, die TiO2 bzw. CI 77891 meiden wollen, also bei Kosmetika und Zahncreme weiterhin genau auf die Liste der Inhaltsstoffe sehen.
Alternativen suchen
Obwohl CI 77891 sowie Titandioxid mit den entsprechenden Begrenzungen für Nanomaterial für die Verwendung in kosmetischen Mitteln auf der Haut bisher als unbedenklich gelten, könnten neue Bewertungen zu weiteren Einschränkungen und Verboten führen. In Zahncremes und Produkten für die Lippen stellt sich die Frage, ob und ab welcher Menge die potenzielle orale Aufnahme schädlich ist.
Aus Gründen der Vorsorge scheint es sinnvoll, auf diesen Stoff zu verzichten und nach Alternativen zu suchen.
Cosmacon arbeitet seit 3 Jahren an der Entwicklung von Alternativen zu Titandioxid. Diese Alternativen umfassen bereits erwähnte Inhaltsstoffe wie Zinkoxid, Eisenoxide, Boronnitrid, Calciumcarbonat, Mica und andere. Die Entwicklung von alternativen zu E171 in der Kosmetikindustrie ist ein fortlaufender Prozess, der auf Sicherheit, Wirksamkeit und Umweltverträglichkeit abzielt.
Quellen:
Ökotest 4, 2023: Kritischer Weißmacher
Ökotest, 25.11.2021: Lipgloss im Test
SCCS – Request for a scientific advice on titan dioxide (TiO2) in cosmetic products (6/2022)
ZWP online, 18.2.2022, Titandioxid in Zahnpasta
Titanium Dioxide: Structure, Impact, and Toxicity.
Racovita AD.Int J Environ Res Public Health. 2022 May 6;19(9):5681
Safety of titanium dioxide nanoparticles in cosmetics.
Dréno B, Alexis A, Chuberre B, Marinovich M.J Eur Acad Dermatol Venereol. 2019 Nov;33 Suppl 7:34-46